Die erste Frau, die einen Wirtschaftsnobelpreis erhält, muss schon etwas ganz besonderes getan haben – und das hat sie auch. Interessanter- und paradoxerweise sind ihre Hypothesen auch mit der “Mainstream”-Wirtschaftswissenschaft kaum vereinbar. All das verdient eine kurze Vorstellung ihres faszinierenden und global bedeutsamen Forschunggebietes. Und genau das will ich heute tun.

1990 schreibt Elinor Ostrom das Buch “Governing the Commons”, das sie berühmt machen wird. Darin zeigt sie – im Zeitalter des Neoliberalismus unerhört – einen dritten Weg auf, wie man die “tragedy of the commons”, wie Garrett Hardin ein bestimmtes Phänomen in seinem einflussreichen Science-Artikel von 1968 genannt hat, vermeiden kann.

Um was geht es überhaupt? Es geht um ein Problem, dessen Reichweite und Bedeutsamkeit gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann: Was passiert, wenn eine Ressource wie Fische, frische Luft, stabiles Klima, Wälder, usw. von vielen Nutzern ausgebeutet wird? Allen diesen Beispielen ist eines gemeinsam: sie lassen sich nur schwer oder gar nicht einzäunen, aufteilen oder den Zugang sonstwie zu ihnen verhindern – es sind so genannte öffentliche Güter. Da sich nun jeder davon bedient und jeder den maximalen Nutzen (kurzfristig) genau dann hat, wenn er so viel entnimmt, wie er nur kann, kommt es bald zum völligen Zusammenbruch der Ressource. Und dann steht jeder der gierigen kurzfristigen Nutzenmaximierer vor einer weitaus schlechteren Situation, als wenn er sich von Anfang zurück gehalten hätte.

Das sieht man leicht an der Überfischung der Weltmeere (ca. 75% der Arten sind dramatisch überfischt und stehen teilweise vor dem Zusammenbruch), den gescheiterten Klimaschutzkonferenzen und vielen anderen Beispielen. Und genau das sagt die Ökonomie auch voraus: Menschen sind rationale Nutzenmaximierer – oder anders ausgedrückt kaltherzige, kurzfristig denkende Egoisten. Sie bietet dann auch eine Lösung an: Privatisierung, denn dann kümmert sich jeder optimal um seinen Privatbesitz. Problem dabei: Geht bei dieser Klasse von Problemen nicht!

Die andere Standardlösung ist übrigens: Vater Staat übernimmt, stellt Aufpasser ein, stellt Regeln und Quoten auf und bestraft Regelbrecher. Problem dabei: Kostet viel Geld, die Aufpasser sind bestechlich und die Planer, die Regeln und Quoten aufstellen, haben von der Sache meist nicht die Ahnung, die die Leute vor Ort hätten, wenn man sie denn nur fragen würde.

Elinor Ostrom beschreibt nun genau diese dritte Lösung: Lokale Institutionen, von den Betroffenen selbst ausgedacht, verwaltet, überwacht. Und dafür gibt es viele, ja sehr viele Beispiele weltweit. Warum die keiner der Ökonomen sehen wollte? Schwierig zu sagen – aber vielleicht handelt es sich ja um einen ” blinden Fleck “!

Die Nobelpreisträgerin zeigt nun in vielen detaillierten Analysen, dass solche Institutionen sehr erfolgreich sein können, dass es aber auch viele Fehlschläge gibt. Warum, darüber rätselt die Forschung noch (darunter auch ich). Es scheint zwar ein Basis-Set an guten “Design-prinzipien” zu geben, an die man sich besser halten sollte, um eine stabile, gerechte, nachhaltige und effiziente Organisation von öffentlichen Gütern aufzubauen, aber warum das manchmal funktioniert und manchmal nicht, das ist bislang unklar. Solche Design-prinzipien sind z. B. klare Regeln, klare Grenzen der Ressource, kleine Gruppen, erfolgreiche soziale Vergangenheit der Gruppe, lokale Gerichtsbarkeit usw.

Die Lösung solcher Probleme hätte weltweite Auswirkungen. Wir würden verstehen, warum Open-Source-Projekte überhaupt (und so gut!) funktionieren, wir könnten Klimaschutzkonferenzen so planen, dass sie erfolgreich verlaufen würden; kurz: wir könnten nachhaltiger und gerechter in praktisch allen Problemen vorgehen.

Deshalb ist dieser Wirtschaftsnobelpreis auch hoch verdient und stärkt einer Forschung den Rücken, die Antworten sucht auf die drängendsten Probleme unserer Zeit.